Auf den Spuren der Native American, den Ureinwohnern Amerikas

 

 

Interkulturelles Lernen unter Einbeziehung der Geschichte, Gegenwart

und Situation indigener Völker Nordamerikas, sowie Übertragung

auf aktuelle Problemlagen, Diskriminierung, Ausgrenzung u.a..

 


Einleitung

 

Unsere Gesellschaft wird zunehmend zu einer Einwanderungsgesellschaft mit multikultureller Zusammensetzung. Auch in der Kommune Sögel ist diese Vielfältigkeit seit vielen Jahren zu beobachten und insbesondere durch ansässige Firmen sind eine Vielzahl von Gastarbeitern inkl. Familienanhang in Sögel ansässig.

Grundsätzlich ist das Zusammenleben friedlich und als gut zu bezeichnen, aber es kommt immer wieder zu Reibungspunkten, kritischen Situationen, Missverständnissen und vor allem Vorurteilen, Voreingenommenheit und abneigender Grundhaltung. Diese Haltung ist wechselwirksam und nicht einseitig zu verorten. Derartige Einstellungen sind auch unter den Besuchern des Jugendzentrums Alte Post zu beobachten und sind immer wieder Gegenstand von klärenden Gesprächen.

Der Projektansatz möchte diese Ausgangslage aufgreifen und frühzeitig bei Kindern im Alter von 8 bis 12 Jahren für eine Interkulturelle Kompetenz sorgen, Toleranz und Verständnis für andere Kulturen, Lebensweisen/-situationen, Religionen, Wertvorstellungen und anderem fördern und eine Aufgeschlossenheit für „Fremdes“ erzielen.

Indirekt sollen die Kinder durch das (konkrete) Verständnis für das erlebte Leid der „Indianer“ Empathie, Mitgefühl und Offenheit für andere Minderheiten/Gruppen entwickeln und eine interkulturelle Kompetenz in vielen Bereichen erhalten. Der inhaltliche Bogen kann über die Indianer-Thematik auf die Sklaverei bis in die Gegenwart und sogar bis in die Lebenswelt der Kinder vor Ort „gespannt“ werden. Dies erfolgt über spielerische Inhalte, „lockere“ Gespräche (am Lagerfeuer), Informationserwerb und anderen methodischen Inhalten.

Die Themen Migration, Multikulturelle (Einwanderungs-) Gesellschaft, Entwicklung von Sprache und anderem sollen nicht unmittelbar im Fokus stehen (direkt ersichtlich sein), sondern über die Projektinhalte tangiert und dadurch indirekt einbezogen werden. Der Ansatz ist hierbei stets möglichst niederschwellig anzusehen und der Lernprozess erfolgt über die Auseinandersetzung mit der Geschichte indigener Völker Amerikas, entsprechende Spiele, offene/moderierte Gespräche und anderen pädagogischen Inhalten. Das Team und die Leitung sind sich der Intention bewusst und moderieren entsprechend Gespräche, Inhalte und Situationen um einen Mehrwert im Sinne der Zielformulierungen zu erhalten. Auch wird bei der Methodenwahl und Programmgestaltung darauf geachtet und z. Bsp. allgemeine Teamspiele entsprechend modifiziert.

 

Sögel, September 2023

i.A. Wolfgang Knese

 

Ausgangslage

Im Rahmen des Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit wurde in Sögel 2023 eine Zukunftswerkstatt mit über dreißig Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Thematisch wurden fünf Projekte ausgewählt und intensiver behandelt, die auch weiterhin bearbeitet werden, aber es wurden auch von mehreren Teilnehmern/-innen das Zusammenleben, Vorurteile gegen Migranten, kulturelle Klischees und andere Problemlagen in diesem Kontext artikuliert und als mögliche Projekte schriftlich notiert. In der unmittelbaren Diskussion wurde dieser Aspekt sogar noch verdeutlicht und zeigte, dass oftmals voreingenommene Meinungen zu Fehlverhalten, Intoleranz und anderem führen.

Das Jugendzentrum Alte Post wird aus diesem Grund, aber auch aufgrund gesellschaftlicher Entwicklung, diese Thematik im Bereich „Interkulturelles Lernen“ aufgreifen und ein nachhaltiges Projekt entwickeln, dass regelmäßig durchgeführt und durch (mögliche) Partner erweitert/ergänzt wird.

Als thematischen Überbegriff wurde „Indianer & andere Völker/Kulturen“ gewählt und inhaltlich sollen sich die teilnehmenden Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren kritisch mit der Thematik „Indigene Völker Nordamerikas“, aber auch anderen Konflikten zwischen Kulturen, Völkern, Personengruppen etc. auseinandersetzen. Dies beinhaltet zunächst die Geschichte, Verfolgung/Verdrängung, Kultur (Lebensweise/ Religion), politische Situation, Probleme und gegenwärtige Situation einheimischer Völker in Nord- und Südamerika.

 

„Gibt es heutzutage auch Menschen, die wie die Indianer unter Vorurteilen leiden?“

 

Derartige Fragen sollen schließlich den Bogen auf andere Minderheiten, Kulturen, Religionen und Lebensweisen spannen. Auch sollen frühere Vorurteile gegenüber indigenen Völker seitens der Einwanderer, wie auch immer noch vorhandene „Bilder“ thematisiert werden und durch die Auseinandersetzung eine kritische Haltung gegenüber Klischees, Vorurteilen und Vorverurteilungen erwirkt werden.

Grundsätzlich gilt es, den kognitiven Bogen zu anderen Bereichen im Blick zu behalten und zu hinterfragen, ob es auch heutzutage Gruppen/Menschen gibt, die unter falschen Vorurteilen/Vorverurteilungen zu leiden haben. Der Ansatz geht über das Verständnis für „Indianer“ hin zu aktuellen Situationen.

 

„Warum heißen die Einheimischen Amerikas eigentlich Indianer?“

 

Des Weiteren ist Kommunikation und Sprache eine Thematik, die auch aufgegriffen, besprochen und in die heutige Zeit übertragen werden soll. Das Ziel ist eine kritische Auseinandersetzung mit Bezeichnungen, Namen und Schimpfwörtern, die womöglich eine Gruppe oder Einzelpersonen beleidigen, diskriminieren oder herabsetzen.

 

Um dem Projekt eine Leichtigkeit, sowie Attraktivität und Besonderheit zu verleihen, soll die inhaltliche Arbeit nicht durch Frontalunterricht oder mit „erhobenem Zeigefinger“ geschehen, sondern spielerisch mit vielen bewegungsorientierten Inhalten und möglichst niederschwellig in verschiedenen Settings, diversen Methoden und ansprechender Umgebung. Inhalte einbringen, ohne dass die Kinder es bewusst als Unterricht oder Belehrung wahrnehmen ist die Devise. Gesprächsfetzen können dabei so gelenkt werden, dass die Kinder nahezu alleine auf positive Schlussfolgerungen und andere Sichtweisen stoßen.

Diesbezüglich wird das Jugendzentrum Alte Post für dieses Projekt ein Tipi Zelt aus Baumwolle, inkl. Zubehör wie Lining (Innenzelt), Heringen, Seile usw. mit einem Durchmesser von 6,3 Meter als späteren „Veranstaltungsort“ und Mittelpunkt anschaffen. Insgesamt können um die 25-30 Personen in dem Zelt untergebracht werden. Bei Übernachtungen ca. 10-15 Kinder. Die Konstruktion lässt sogar ein kleines Lagerfeuer zu, das am Abend für eine angenehme Gesprächsatmosphäre und besondere Eindrücke sorgen wird.

 

Zusätzlich sollen langfristig weitere, kleinere Zelte hinzukommen (oder wenn möglich ausgeliehen werden) und so den Eindruck eines kleinen Dorfes zu erzielen. In dessen Mitte soll ein Großteil der Angebote erfolgen. Diese visuelle Besonderheit wird nachhaltig bei den Teilnehmern/innen für Erinnerungen und entsprechenden Verknüpfungen zu den Inhalten sorgen.

 

Angedacht sind auch Kooperationen mit Bogensport- und/oder Reitsportvereinen und anderen vor Ort. Eine gemeinsame Ferienfreizeit in der Jugendbildungsstätte Marstall Clemenswerth in Sögel ist bereits angedacht.

 

Ziele

·         Differenzierter Darstellung unterschiedlicher Völker Nordamerikas, sowie anderer Völker, die geschichtlich unterdrückt und ausgebeutet wurden

·         Bewusstsein schaffen für andere Kulturen, Namensgebung, Unterdrückung, Ausbeutung und Verfolgung

·         Kultur der Indigenen Völker vermitteln

·         Wahrnehmung schärfen für Materialien, die Menschen anderer Völker politisch und ethnologisch korrekt darstellen

·         Eigene Sprache reflektieren und hinterfragen - Namensgebung „Indianer“ (wie auch andere)

·         Offenheit für andere Kulturen fördern

·         Empathie für Gruppen schaffen, die unter der Mehrheit (in diesem Fall dem „Weißem Mann“) gelitten haben, sowie für Minderheiten allgemein

·         Historisch-kritisches Denken anregen

·         Offenheit, Toleranz stärken

·         Eigene Vorurteile, Voreingenommenheit hinterfragen

·         Interkulturelle Kompetenzen fördern

·         Bildungs- und Aufklärungsarbeit

 

Methodik

·         Gruppenarbeit

·         Moderierte Gruppengespräche

·         Interkulturelles Lernen

·         Spiel-/Bewegungsangebote

·         Natur-, Erlebnis- und Waldpädagogik (Klettern, Bogenschießen, Reiten u.a.)

·         Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit

 

Mögliche, weitere Einsatzbereiche

Projekte, bei denen die Tipis zusätzlich eingesetzt werden könnten:

·         Projektarbeit „Interkulturelles Lernen“

·         Ferienangebote/ Ferienpassaktionen

·         Erlebnispädagogik (Abenteuersport, Klettern usw.)

·         Tag der offenen Tür

·         Packhalle Open Air

·         Projektwoche Kindergarten/ Schule

·         Veranstaltungen allgemein (Schloss Clemenswerth, Gemeinde etc.)

·         Zeltlager (Kath. /Evangelische Jugend u.a.)

·         Ferienfreizeiten (Jugendbildungsstätte Marstall Clemenswerth u.a.)

                                                              

Sonstiges

 

Aufgrund der hohen Anschaffungskosten für ein neues Tipi, aber auch aus ökologischen Aspekten bezüglich Ressourcen, Herstellung, Wiederverwertung hat sich das Team für ein gebrauchtes Tipi entschieden. Das online bei Kleinanzeigen entdeckte Tipi ist von hoher Qualität, wenig genutzt und somit nahezu neuwertig. Zudem enthält es umfangreiches Zubehör. Hier eine Auflistung aller Materialien mit den jeweiligen aktuellen Neupreisen:

 

 

Mögliche Inhalte/ Programmpunkte

·         Einführung in Kultur und Leben der Indianer

·         Übernachtung in Tipis (möglich)

·         Gemütliche Abende am Lagerfeuer

·         Holz sammeln fürs Lagerfeuer

·         Feuerwache

·         Feuer entfachen und „Rauchzeichen“ produzieren

·         Kochen im Erdofen oder offenen Feuer

o   Indianischen Tee am Lagerfeuer zubereiten

o   Stockbrot, Kartoffeln, Wurst und anderes

·         Herstellung indianisches Werkzeug und andere nützliche, schöne Dinge

o   (Kunst-) Leder, z.B. Medizinbeutel oder Mokassins (indianische Schuhe)

o   Amulette, Stirnbänder mit Perlenstickerei oder Traumfänger, Jagdschilde, Perlenschmuck

o   Trommelbau für die Stammestrommel

·         Herstellung Bogenbau und Bogenschießen (Kooperation Bogensportclub)

·         Reiten und/oder Kutschfahrt (wenn durch Kooperation möglich)

·         Abenteuerlandschaft mit Niedrigseilgarten in der Turnhalle („Indianer auf Fährtensuche“)

·         Outdoorspiele

o   Fährtenlesen und Natur erleben (Kooperation NABU)

o   Schnitzeljagd mit indianischem Kontext

o   Gruppenaktion: Bau eines „Waldsofas“

o   Abenteuersport im Wald (Riesenschaukel, Kistenklettern, Seilbahn – Kooperation Kletterwald)

·         Teamgeist, Naturerleben und Vertrauensspiele

·         Trommel – und Redestabwächter

·         Nachtwanderung und Orientierung im Dunkeln

·         Indianische Spiele

·         Musik mit Stammestanz, Liedern, Tänze und Geschichten

·         Rituale, wie “Großes Palaver”

·         Stammesfest am letzten Abend

 

Themen

Inhalte, Spiel- und Bewegungsangebote sowie alle Methoden stets wertschätzend kommunizieren und Abweichungen von der Realität (aufgrund von Funktionalität, Materialien etc.) immer darlegen!

·         Realitätsnahe Beschreibung des Lebens von Indianern in früherer Zeit

o   Ernährung (Herkunft Kartoffel, wie auch Mais, Bohnen etc.)

o   Rituale-Klischees-Vorurteile: Kriegsbemalung, Skalpieren, Totempfahl usw.

o   Sprache

o   Kunst

o   Kultur allgemein

·         Geschichtliche Themen

o   Verbreitung vor der Ankunft der „Weißen“

o   Stämme – Häuptlinge

o   Anzahl

o   Verfolgung/Verdrängung

·         Aktuelle Situation (Lebensstandard, Reservate, Religion, Kultur usw.)

·         Klischees zu Indianern und deren Wahrheitsgehalt

·         Übertragung des geschichtlichen Leids auf aktuelle Themen

·         Koloniale Unrechtsstrukturen aufzeigen

 

Schlusswort

Uns ist bewusst, dass der Begriff Indianer nicht gänzlich frei von westlich geprägten Vorstellungen der indigenen Völker und aufgrund seiner geschichtlichen Entstehung auch nicht vollkommen ist, jedoch ist die Begrifflichkeit nicht unmittelbar negativ behaftet und spricht zudem Kinder aus unterschiedlichsten Familien an.  Diese „Anziehungskraft“ und das Interesse wollen wir nutzen um dann in dem Projekt kritisch derartige Begriffe, Vorurteile aufzugreifen und realitätsgetreue Darstellungen vermitteln.

 

„Ein Verzicht auf die Sammel- und Fremdbezeichnung "Indianer" bringt uns nicht weiter, solange stereotype Vorstellungen an die nächste Generation weitergegeben werden“

Quelle: Homepage Native American Association of Germany e.V.- Stand: 06.09.2023

 

Der Verein setzt sich auf seiner Homepage kritisch mit dem Begriff „Indianer“ auseinander, sieht aber auch einen Nutzen durch die Verbreitung. So bewerben Künstler aus der Gruppe sich selbst als „indianische Künstler“ und sehen eher den Nutzen als die negative Intention in dem Wort Indianer.

 

Begriffe wie „Native Americans“ oder Indigene Völker sind nach wie vor nicht geläufig und durch Nutzung des bestehenden Begriffs Indianer schafft man eine entsprechende Aufmerksamkeit für ein der Volksgruppe zugewandtes Anliegen, das stets positiv, wertschätzend und vorsichtig (reflektiert) verfolgt werden muss.

 

Wir sehen durch dieses Projekt nicht die Gefahr einer neuen Diskriminierung oder indirekten Ausbeutung der Native Americans, sondern wollen gerade durch das Projekt für eine differenzierte Auseinandersetzung, Aufklärungs- und Bildungsarbeit und Offenheit sorgen.

 

Die oft hitzigen Diskussionen um Begriffe und Wörter führen selten zu Veränderung, sondern eher zu verhärteten Fronten. Vielmehr sollten wir die nächste Generation derart bilden, stärken und fördern, dass sie im Kopf tolerant, offen und vielfältig denken, sodass Rassismus, Vorurteile, Diskriminierung und all diese Dinge keine Rolle mehr spielen. Sprache entwickelt sich und es braucht Zeit um bestehende Nutzung von Wörtern langfristig zu verändern. Dies funktioniert selten über Vorschriften und Belehrungen von oben herab. Erziehen wir die nächste Generation zu mündigen Bürgern, die frei sind von Intoleranz u.a., so werden sich die Diskussionen um Wörter und Sprache erübrigen.

 

Es wird konkret Wissen über die Vielfalt indianischer Nationen vermittelt und Alternativen zu kitschigen Karnevalskostümen, Filmen und anderem aufgezeigt. Dies wird im Vorfeld fachlich vorbereitet und nach Möglichkeit mit Fachleuten abgestimmt. Es wird kein spontanes Kinderschminken oder Aufsetzen eines künstlichen Federschmucks geben, sondern an die Realität angelehnte Inhalte und Angebote vorgehalten.

 

Wir hoffen durch dieses Projekt konkret Vielfalt, Offenheit und Miteinander zu fördern und zudem über die wirkliche Geschichte, Kultur und aktuelle Situation von Native Americans aufklären.

 

Sögel, September 2023


Wolfgang Knese
Dip. Sozialarbeiter/-pädagoge (FH)

 

Jugendzentrum Alte Post
Gemeinde Sögel
Am Markt 9, 49751 Sögel

T: 05952 / 9240 


E: knese(at)altepost-soegel(dot)de 

W: www.altepost-soegel.de